1. HÄLFTE:
1.1
Zur „Polonaise in h-moll, Op. 55 Nr. 3“ von Moritz Moszkowski:
Moritz Moszkowski war einer der herausragendsten Komponisten und Pianisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dessen Name und Werk danach fast nahezu in Vergessenheit geraten war. Geboren wurde er 1854 in Breslau. Er entstammte einem wohlhabenden Elternhaus. Seinen ersten Musikunterricht erhielt er in Breslau. Als er elf Jahre alt war, siedelte die Familie nach Dresden um. Mit 15 Jahren zog er nach Berlin, um seine Ausbildung an dortigen Konservatorien fortzusetzen. Vier Jahre später begann er seine ersten Konzertreisen als Klaviervirtuose und als Dirigent durch ganz Europa und machte sich schnell einen Namen als Pianist, Komponist und auch als Lehrer. Im jungen Alter von 21 Jahren spielte er sein Klavierkonzert für zwei Klaviere zusammen mit Franz Liszt.
Mitte der 1880er Jahre, als er ungefähr 30 Jahre alt war, machte sich ein Nervenleiden bemerkbar, weswegen er seine Konzertauftritte reduzieren musste und seine Tätigkeiten als Komponist, Dirigent und Lehrer intensivierte. Im Alter von 43 Jahren siedelte er – berühmt und wohlhabend – nach Paris um. Er blieb bis zu seinem Tod in Paris, obwohl ihm hier jeglicher Erfolg versagt blieb. Er lebte mehr und mehr zurückgezogen, erkrankte 1908 schwer, nahm keine Kompositionsschüler mehr auf und seine Popularität und Karriere begannen zu sinken. Nachdem er alle Rechte an seinen Kompositionen verkauft hatte und während des Ersten Weltkrieges seinen sämtlichen Besitz in Kriegsanleihen für Österreich und Deutschland investiert hatte, war er nach dem Ersten Weltkrieg und dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch dieser beiden Staaten finanziell ruiniert. Moritz Moszkowski verstarb verarmt am 4. März 1925 an Magenkrebs.
Die „Polonaise in h-moll“ im Tempo Allegretto con moto, die gleich zu hören sein wird, ist das dritte Stück des Opus 55, betitelt „Polnische Volkstänze“, das 1897 veröffentlicht wurde.
Zur „Tarantella“ von Mili Balakirew:
Mili Alexejewitsch Balakirew wurde 1837 im russischen Nischni Nowgorod in eine wohlhabende Adelsfamilie hineingeboren. Schon als Kind wurde er im Klavierspiel ausgebildet und begann recht früh zu komponieren. Als 18-jähriger zog er nach Sankt Petersburg und lernte dort unter anderem Michail Iwanowitsch Glinka, den Begründer der russischen Nationalmusik, kennen, der ihn überzeugte, Musik im russischen Nationalgeist zu komponieren. Später im Programm wird das Stück „L’Alouette“, auf deutsch „Die Lerche“, zu hören sein, das im Original von Glinka komponiert wurde und von Balakirew für Klavier bearbeitet wurde.
Bis 1862 Jahren scharte Balakirew in Sankt Petersburg eine Gruppe von Komponisten um sich, die später als „Gruppe der Fünf“ und als „Das mächtige Häuflein“ bekannt wurde und deren Ziel es war, spezifisch russische Musik zu komponieren und nicht ältere europäische Modelle zu imitieren. Auf diese Weise beeinflussten sie eine ganze aufstrebende Generation von Komponisten der Spätromantik und der Moderne. Zu dieser Gruppe gehörten neben Balakirew, Alexander Borodin, César Cui, Modest Mussorgski und Nikolai Rimski-Korsakow.
Balakirews intensive Dirigenten-, Theorie- und Lehrtätigkeit erlaubte es ihm nicht, ausgiebig als Komponist zu arbeiten. Der Umfang seiner Arbeit ist daher nicht groß. Erst in seinen letzten Lebensjahren war er kompositorisch sehr produktiv und vollendete einige Werke, die er zum Teil vor mehreren Jahrzehnten begonnen hatte. Obwohl Balakirews Werke große Originalität und auch eine gute Technik aufweisen und er eine große Bedeutung als Begründer einer ganzen Epoche hat, ist er heute kaum mehr in den Konzertsälen vertreten. Der Grund für diese Vernachlässigung ist historisch zu sehen: Balakirew wandte sich in den 1860er Jahren überwiegend der Förderung seiner Mitstreiter zu, komponierte aber selbst nur wenig und ließ seine Kompositionen meistens unvollendet liegen. Bedingt durch mangelnde öffentliche Anerkennung und die zunehmende Emanzipation seiner Schüler geriet Balakirew etwa 1870, im Alter von 33 Jahren, in eine tiefe Sinnkrise. Er hörte auf zu konzertieren und zu komponieren. Erst ab den 1880er Jahren komponierte er wieder. Nun befasste er sich wieder mit seinen unvollständigen Werken, doch sein Stil veränderte sich nicht. Von daher waren seine Werke, die nun erst vollendet und aufgeführt wurden, nicht mehr auf der Höhe ihrer Zeit. Hätte Balakirew sie bereits in den 1860er Jahren aufgeführt, wären sie als revolutionäre Pioniertaten in die Geschichte eingegangen. So aber blieb ihm nur das Los des zu spät Gekommenen. Die meisten seiner durchaus bemerkenswerten Kompositionen sind daher bis heute kaum beachtet geblieben.
Er starb 1910 im Alter von 73 Jahren in Sankt Petersburg.
Die „Tarantella“, die Sie gleich hören werden komponierte Balakirews 1901. Eine Tarantella ist ein aus Süditalien stammender Volkstanz. Sie zeichnet sich durch eine schnelle Musik im 3/8- oder 6/8-Takt aus.
1.2
Zu „La cathédrale engloutie“ („Die versunkene Kathedrale“), und „Les collines d’Anacapri“ („Die Hügel von Anacapri)“ von Claude Debussy:
Achille Claude Debussy war ein französischer Komponist, der manchmal als der erste impressionistische Komponist angesehen wird und als Bindeglied zwischen Romantik und Moderne zählt.
Er wurde 1862 in der Nähe von Paris geboren und stammte aus einer Familie mit bescheidenen Mitteln und wenig kulturellem Engagement. Debussy besuchte nie eine Schule; die Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens vermittelte ihm seine Mutter. Sein Pate, der Bankier Achille Arosa, war es, der Debussy den ersten Klavierunterricht ermöglichte. Er zeigte ein so großes musikalisches Talent, dass er im Alter von nur zehn Jahren an Frankreichs führender Musikhochschule, dem Conservatoire de Paris, aufgenommen wurde. Ursprünglich studierte er Klavier, fand aber seine Berufung in innovativer Komposition, trotz der Missbilligung durch die konservativen Professoren des Konservatoriums.
Debussy begann auf eine zielgerichtete Auflösung harmonischer Spannungen zu verzichten, indem er anstelle der klassisch-romantischen Funktionsharmonik mit den klaren tonalen Bezugs- und Schwerpunkten der Dur-Moll-Tonalität im Laufe der Zeit eine eigenständige Harmonik entwickelte, die europäische Einflüsse mit seiner Entdeckung traditioneller slawischer und asiatischer Musik verband, etwa durch die Verwendung von Pentatonik und der Ganztonleiter. Weil seine daraus resultierenden Klangbilder als fremdartig, schwebend und sphärisch empfunden und dementsprechend mit den ebenso wahrgenommenen Bildern etwa von Claude Monet und Paul Gauguin in Verbindung gebracht wurden, gilt Debussy musikhistorisch als Hauptvertreter des Impressionismus.
Wesentliche Einflüsse erfuhr Debussy auch von den russischen Komponisten der Romantik wie Modest Mussorgsky, Alexander Borodin und Nikolai Rimski-Korsakow, Mitgliedern des zuvor erwähnten „Mächtigen Häufleins“.
Debussy selbst lehnte es ab, als impressionistischer Komponist bezeichnet zu werden. Das dürfte daher kommen, dass man den Begriff Impressionismus damals anders verstanden, bewertet und benutzt hat als heute. Damals war es eher ein Schimpfwort für einen kompositorischen Stil, der gegen alte Regeln verstieß.
Er revolutionierte die Musik mit seiner Vorstellung von Klangfarben und auch wenn seine Zeitgenossen seine Musik nie ganz verstanden, bleibt er bis heute einer der bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Im Alter von 55 Jahren verstarb er am 25. März 1918 nach einem neunjährigen Leidensweg an einer Darmkrebserkrankung.
„La cathédrale engloutie“ („Die versunkene Kathedrale“), und „Les collines d’Anacapri“ („Die Hügel von Anacapri)“ sind Teil der „Préludes pour piano, 1. Buch“. Debussy komponierte seine beiden Hefte „Préludes pour piano„ („Präludien für Klavier“) zwischen 1909 und 1913. Die insgesamt 24 Stücke zeigen alle Merkmale der impressionistischen Musik, indem in ihnen jeweils ein in sich geschlossenes musikalisches Bild, eine Stimmung klanglich, melodisch und rhythmisch auskomponiert wurde. Die am Schluss der Stücke stehenden poetischen Titel, die sich auf die jeweilige Stimmung und Eigenart des Stückes beziehen, seien, so Debussy, lediglich als Bestätigung des durch die Musik vermittelten Eindrucks zu verstehen, daher die Schreibweise der Titelbezeichnung: X. (…La Cathédrale engloutie) bzw. V. (…Les collines d’Anacapri).
„La cathédrale engloutie“ (Die versunkene Kathedrale), das zehnte Präludium aus Buch 1, basiert auf einem alten bretonischen Mythos, in dem eine Kathedrale, die vor der Küste der Insel Ys unter Wasser liegt, an klaren Morgen, wenn das Wasser klar ist, aus dem Meer aufsteigt. Von der anderen Seite des Meeres her erklingen die Gesänge der Priester, das Läuten der Glocken und das Spiel der Orgel, so dass Debussy mit bestimmten Harmonien im Stil der musikalischen Symbolik auf die Handlung der Sage anspielt.
Die Verwendung von strengen, offenen Quinten zu Beginn des Stücks spielt auf die Vorstellung von Kirchenglocken an, die aus der Ferne, über den Ozean hinweg, erklingen. Die mit pianissimo bezeichneten Anfangstakte und die Form der aufsteigenden Phrase ist vielleicht eine Darstellung des langsamen Auftauchens der Kathedrale aus dem Wasser. Nach einem Abschnitt, der mit Augmentez progressivement (Langsam wachsend) überschrieben ist, taucht die Kathedrale auf, und die große Orgel erklingt in einem dynamischen Fortissimo. Nach dem grandiosen Auf- und Abgang der Orgel versinkt die Kathedrale wieder im Meer und die Orgel erklingt erneut, allerdings unter Wasser. Schließlich verschwindet die Kathedrale aus dem Blickfeld, und nur die Glocken sind zu hören, in einem entfernten Pianissimo.
„Les collines d’Anacapri“ („Die Hügel von Anacapri“), das fünfte Präludium aus Buch 1, wurde von der mediterranen Landschaft um die Stadt Anacapri auf der Insel Capri im Golf von Neapel inspiriert. Das in sonnigem B-Dur stehende Stück beginnt mit hellen Farbtupfern. Die Klänge läutender Glocken mischen sich mit Fragmenten einer lebhaften Tarantella. Zitate aus zwei italienischen Liedern tauchen auf. Das eine ist eine einfache Volksmelodie, das andere ein sinnliches Liebeslied. Nach einem Moment heiterer Besinnlichkeit endet das Prélude in einem leuchtenden, mit lumineux bezeichneten Blitz.
Zu „Oiseaux tristes“ („Traurige Vögel“) von Maurice Ravel:
Maurice Ravel gilt neben Claude Debussy als Hauptvertreter des französischen Impressionismus. Er griff jedoch im Laufe seines Lebens zahlreiche weitere musikalische Stile auf. Als Teil der ausgesprochen umbruchfreudigen Pariser Künstlerszene vor dem Ersten Weltkrieg bereitete Ravel den Weg für die nachfolgenden Avantgardebewegungen in der Musik.
Ravel wurde am 7. März 1875 in Südfrankreich geboren und wuchs in Paris auf. Mit sieben Jahren erhielt er ersten Klavierunterricht. 1889 bestand er die Aufnahmeprüfung am Pariser Konservatorium. In dieser Zeit spielte er mit dem Gedanken an eine Pianistenkarriere. Tatsächlich wurde er später als Interpret seiner eigenen Werke sowohl in Europa wie besonders auch in Nordamerika gefeiert. Am Konservatorium wechselte er jedoch schon bald in die Kompositionsklasse von Gabriel Fauré und studierte außerdem Harmonielehre und Orchestration. Nach seinem Studium betätigte sich Ravel als Pianist, Dirigent und Liedbegleiter seiner Werke. Er pflegte lebhaften Kontakt mit den Pariser Künstlerkreisen und nahm von dort vielfältige Anregungen für sein eigenes Werk auf. 1933 wurde diese Laufbahn durch eine Lähmung leider beendet, und Ravel widmete sich fortan nur noch der Komposition.
Seine frühen Werke waren vor allem von Liszt, Chabrier, Fauré und Rimskij-Korsakow beeinflusst. Entscheidend für Ravels musikalische Entwicklung war aber sicher die Begegnung mit Claude Debussy, dessen impressionistischer Stil ihn nachhaltig beeinflusste. Gegenseitige Plagiatsvorwürfe ließen diese Freundschaft später jedoch abkühlen.
Einfluss auf Ravel hatte auch die Musik des schon erwähnten russischen „Mächtigen Häufleins“. Dazu kamen auch Stileinflüsse der spanischen Volksmusik, traditioneller französischer Barockmusik und aus der Welt der Jazz- und Unterhaltungsmusik.
In den Werken Ravels blieb die Tonalität weitestgehend erhalten, wenn auch gelegentlich zur Polytonalität erweitert. Dennoch stießen die meisten Kompositionen beim breiten Publikum zunächst auf Unverständnis und Ablehnung, da sie weder gefällig folkloristisch noch im traditionellen Sinne harmonisch waren. Fachkritiker erkannten jedoch früh Ravels Innovationskraft und seine außerordentliche Meisterschaft auf dem Gebiet der Klanggestaltung und Orchestration. Insgesamt bietet seine Musik eine faszinierende Mischung aus Tradition und Innovation, die bis heute aus den Konzertsälen der Welt nicht wegzudenken ist.
1937 starb Ravel im Alter von 62 Jahren nach einer Gehirnoperation.
Das gleich zu hörende Stück „Oiseaux tristes“ (auf deutsch: „Traurige Vögel“), ist das zweite Stück aus einem der bedeutendsten Klavierewerke von Ravel, „Miroirs“ (auf Deutsch „Spiegelbilder“), ein im Jahr 1905 komponierter Zyklus aus fünf Klavierstücken. Die „Miroirs“ gehören zu den Schlüsselwerken des französischen Impressionismus. „Oiseaux tristes“ ist ein überaus dunkles Werk. Jedoch werden die melancholischen Töne durch helle, perlend zu spielende Melodien durchgehend verziert.
Zu „L’Alouette“, einem Lied von Michail Glinka, das Mili Balakirev für das Klavier arrangiert hat:
Der russische Komponist Michail Glinka, vorhin bereits im Zusammenhang mit Balakirew erwähnt, gilt als Schöpfer einer eigenständigen klassischen Musik Russlands. Er wurde 1804 in einem Dorf bei Smolensk als Sohn eines Adligen geboren. Er studierte am Adelsinstitut von Sankt Petersburg. Ab 1830 verbrachte er drei Jahre mit Opernstudien in Italien, anschließend war er für weitere Musikstudien in Berlin. Als 1834 sein Vater starb, kehrte er dreißigjährig nach Russland zurück.
Zwei Jahre später wurde im Petersburger Großen Theater seine erste Oper „Ein Leben für den Zaren“ uraufgeführt. Sie war die erste auf Russisch gesungene Oper Russlands. Einfache Menschen wie Bauern spielten die Hauptrolle. Die Oper wurde ein großer Erfolg und Glinka wurde zum Kapellmeister der Petersburger Kapelle berufen.
1842 folgte seine zweite Oper „Ruslan und Ljudmila“, die nach einem Gedicht Alexander Puschkins entstand und sehr volkstümlich gehalten ist. Ab 1844 begab er sich wieder auf Reisen, diesmal nach Paris, und im nächsten Jahr nach Spanien. Hier begeisterte er sich für die traditionelle Musik Spaniens. Nach weiteren Reisen in Polen, wo er Einflüsse von Frédéric Chopin aufnahm, und Frankreich brach er im Mai 1856 zu seiner letzten Reise nach Berlin auf. Dort erkältete er sich und verstarb nach drei Wochen am 15. Februar 1857 im Alter von 53 Jahren.
Um das Ausmaß der Leistungen Glinkas zu begreifen, muss die musikalische Situation Russlands, in die er hineingeboren wurde, in Betracht gezogen werden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts waren Stileinflüsse aus Westeuropa in der russischen Kultur dominierend geworden. Glinkas wichtigstes Vermächtnis liegt vor allem in seiner ganz persönlichen, sehr russisch geprägten Musiksprache, in der er im Gegensatz zur deutschen Musik auf die zergliedernde und kombinierende Durchführung kleinräumiger Themen verzichtet und stattdessen Variationen von längeren melodischen Phrasen komponiert.
Das gleich folgende Stück „L’Alouette“, auf Deutsch „Die Lerche“, wurde 1840 als zehnte von zwölf Romanzen des Zyklus „Abschied von St. Petersburg“ für Stimme und Klavier geschrieben. Der Text stammt von Nestor Kukolnik, der viele Kompositionen Glinkas betextete. Bekannt wurde das Werk vor allem durch diese Transkription von Mili Balakirew, die 1864 veröffentlicht wurde.
Der Text des Liedes lautet wie folgt:
Zwischen dem Himmel und der Erde wird ein Lied gehört,
ein unendlicher Strom von Lauten strömt lauter, lauter hervor.
Unsichtbar ist die Sängerin im Feld, wo so laut singt
über ihrem Freund die klangvolle Lerche.
Der Wind trägt das Lied, zu wem, weiß er nicht.
Die, der es gesungen wird, wird wissen, woher es kommt!
Erklinge, mein Lied süßer Hoffnung.
1.3
Zu „La plus que lente“ und „Danse“ von Claude Debussy:
Das folgende Stück „La plus que lente“ („Der Langsamste“) ist ein Walzer, den Debussy 1910 geschrieben hat und der so gar nicht recht in die stilistische Entwicklung des Komponisten passen will, tendiert er doch zu sehr in Richtung Salonmusik, als dass er mit den anderen Werken dieser Jahre in Einklang zu bringen wäre. Als Salonmusik können nämlich höchstens seine frühen Klavierstücke angesehen werden. Es ist anzunehmen, dass Debussy es mit dieser Komposition nicht ganz so ernst gemeint hat. Debussys Humor ist in seinem Werk immer wieder zu finden. Schon der Titel von „La plus que lente“ deutet darauf hin. Ein „valse lente“, also ein langsamer Walzer, war damals bei Zuhörern wie Tänzern sehr beliebt und wurde von Debussy zu „La plus que lente“, zu deutsch „Der Langsamste“ umbenannt. Auch wenn „La plus que lente“ von vielen Debussykennern als unbedeutendes Werk angesehen wird, ist der Charme, den dieses Stück versprüht, beachtenswert.
Das letzte Stück vor der Pause wird der „Danse“ sein, der 1890 geschrieben und zunächst unter dem Titel „Tarantelle Styrienne“, zu deutsch „Tarantella der Steiermark“, veröffentlicht wurde. Im Jahr 1903 ließ der Komponist es unter dem neuen Titel „Danse“ mit einigen kleinen Änderungen neu auflegen. Der Originaltitel für dieses Prunkstück gefiel ihm wahrscheinlich nicht mehr. Der„Danse“ ist ein robustes, farbenfrohes Stück mit einem funkelnden Mittelteil. Seine wirbelnden Synkopen zeigen sich im spritzigen Wechsel von 6/8-Takten und 3/4 Walzer-Rhythmen.
P A U S E
2. HÄLFTE:
2.1
Zur „Polonaise in d-moll, Op. 71 Nr. 1“ und der „Tarantella“, beide von Frédéric Chopin:
Frédéric Francois Chopin wurde 1810 im polnischen Herzogtum Warschau geboren. Chopins Vater war Franzose, seine Mutter Polin. Die Eltern Chopins verband die Leidenschaft zur Musik: der Vater spielte Geige und Flöte, die Mutter spielte Klavier und sang. Im Alter von vier Jahren kam er durch die musizierenden Eltern in Kontakt mit dem Klavier. Unter der Anleitung seiner Mutter zeigte er schnell seine große musikalische Begabung, die ihm eine musikalische Ausbildung in Warschau ermöglichte, wo er auch seine ersten Stücke komponierte.
Die ersten zwanzig Jahre seines Lebens verbrachte er in Polen, das er 1830 aus beruflichen und politischen Gründen verließ. Aufstände gegen die russische Herrschaft machten das Leben dort immer gefährlicher. Chopin lebte fortan überwiegend in Frankreich. Sein Leben war geprägt von Krankheit. Zuletzt war er mittellos und auf die Hilfe von Freunden angewiesen. Er starb im Alter von 39 Jahren, höchstwahrscheinlich an einer Herzbeutelentzündung als Folge einer Tuberkulose.
Chopin ist wie Robert Schumann, Franz Liszt, Felix Mendelssohn u.a. ein Repräsentant der Romantik, die in seiner Wahlheimat Frankreich ihre Blütezeit zwischen 1815 und 1848 hatte. Als Komponist schuf er fast nur Werke für Klavier. Chopins Kompositionsstil ist beeinflusst von der polnischen Volksmusik, der klassischen Tradition Bachs, Mozarts, Webers, Hummels und Schuberts, besonders aber vom Stil des Belcanto der zeitgenössischen italienischen Oper und ihrem Vertreter Vincenzo Bellini. Von prägendem Einfluss war die Atmosphäre der Pariser Salons, in denen Chopin häufig verkehrte. Hier entfaltete er seine Fähigkeiten in freien Improvisationen am Klavier, die oft zur Grundlage seiner Kompositionen wurden. Seine Neuerungen in allen Elementen der Komposition wie Melodik, Rhythmik, Harmonik und Formen und das Einbeziehen der polnischen Musiktradition mit ihrer Betonung des nationalen Charakters waren ein bedeutender Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Musik.
Schon zu Lebzeiten galt Chopin als einer der führenden Musiker seiner Zeit. Sein Klavierspiel und sein Wirken als Lehrer wurden wegen der Erweiterung und Ausnutzung der technischen und klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes, der Sensibilität des Anschlages, der Neuerungen im Gebrauch der Pedale und im Fingersatz als außergewöhnlich angesehen. Chopin zog die intime Atmosphäre der Salons den großen Konzertsälen, in denen sein zartes Spiel nicht zum Tragen kam, vor – ganz im Gegensatz zu Franz Liszt, zu dem wir später Näheres hören werden.
Die folgende „Polonaise in d-moll“ im Tempo Allegro maestoso ist Teil des Opus 71, das drei Polonaisen beinhaltet. Chopin schrieb diese Stücke wahrscheinlich schon 1820, obwohl sie bis sechs Jahre nach seinem Tod unveröffentlicht blieben. 1855 wurden die Werke veröffentlicht – obwohl Chopin selbst darum gebeten hatte, seine Manuskripte nach seinem Tod zu verbrennen.
Anschließend gibt es die „Tarantella in As-Dur, op. 43“ zu hören, ein kurzes Klavierstück in Tarantella-Form von 1841. Es wurde von Gioachino Rossinis Lied „La danza“ inspiriert, ebenfalls im für Tarantellas charakteristischen 6/8-Rhythmus. Chopin selbst sagte über dieses Stück seltsamerweise: „Ich hoffe, dass ich nicht so bald wieder etwas so Schreckliches schreiben werde“. Trotz dieser Selbstkritik ist das Werk zu einem beliebten Aufnahmestück geworden, obwohl es seltener in Konzerten aufgeführt wird.
2.2
Zum Set mit vier Werken von Sergei Rachmaninoff:
Sergei Rachmaninoff war ein russischer Komponist, Pianist und Dirigent und wird oft als der letzte Romantiker der Musikgeschichte bezeichnet, da er zeitlebens an der Tradition eines tonalen Kompositionsstils festgehalten hat, während zeitgleich der Impressionismus erblühte. Er wurde 1873 geboren und war damit 11 Jahre jünger als Debussy und nur zwei Jahre älter als Ravel.
Den ersten Klavierunterricht erhielt der junge Rachmaninoff mit vier Jahren von seiner Mutter, anschließend von einer Absolventin des Sankt Petersburger Konservatoriums. In Sankt Petersburg besuchte Rachmaninoff das dortige Konservatorium und erhielt neben Klavierunterricht auch Unterricht in Musiktheorie und allgemeinbildenden Fächern. Probleme gab es, als Rachmaninoff bei der Abschlussprüfung an den Allgemeinfächern scheiterte. Das Stipendium wurde ihm entzogen, und er musste das Konservatorium verlassen. Die ratlose Mutter wandte sich daraufhin an ihren Neffen Alexander Siloti, der gerade als neuer Stern am russischen Pianistenhimmel gefeiert wurde und ein Schüler von Franz Liszt war. Dieser hörte dem jungen Rachmaninoff beim Klavierspiel zu und erkannte seine große, jedoch völlig unausgebildete Begabung. Siloti, brachte ihn in Moskau beim Klavierpädagogen Nikolai Swerew unter, bei dem er sogar wohnen konnte und dessen Klasse er am Moskauer Konservatorium besuchte. Dort lernte Rachmaninoff die Komponisten Mussorgsky und Tschaikowsky persönlich kennen. Neben seinem Hauptinstrument studierte er auch Komposition. Er bestand seinen Abschluss vom Moskauer Konservatorium 1891. Seine ersten Werke kamen bei Presse und Publikum gut an, doch Rachmaninoff war zeitlebens ein unsicherer Mensch, der später auch zu Depressionen neigte.
Rachmaninoff lebte gerne auf großem Fuß; das brachte ihn nicht selten in finanzielle Schwierigkeiten. Reisen war ihm verhasst, sodass er nicht auf Konzerttournee gehen wollte und das Klavierunterrichten lag ihm nicht. Als die Uraufführung seiner 1. Sinfonie 1897 dann auch noch mit harscher Kritik verrissen wurde, stürzte ihn das in eine erste tiefe Schaffenskrise. Er brauchte drei Jahre ärztliche Behandlung mit Hypnosetherapie, um sich seelisch wieder aufzubauen.
Um 1900 begann Rachmaninoff mit der Arbeit an seinem 2. Klavierkonzert. In der Uraufführung 1901 übernahm er selbst den Klavierpart und das Publikum war begeistert. Rachmaninoff hatte sein Selbstvertrauen und seinen Platz als Komponist in der Welt wieder. Das Konzert widmete er daher seinem Arzt Dr. Dahl.
Als in Russland 1917 die Revolution ausbrach, floh er aus der Heimat, zunächst mit der Absicht wiederzukommen. Er ließ sich in den USA nieder, wo er sich als gefeierter Dirigent und Klaviervirtuose einen Namen machte. Nach kritischen Äußerungen über das sowjetische System wurde ihm die Einreise in die Heimat verwehrt. Das brachte sein kompositorisches Schaffen beinahe komplett zum Erliegen. Er lebte in Zurückgezogenheit, Englisch lernte er nie richtig und Russland, seine Heimat, fehlte ihm als Inspiration. Er sagte: „Nachdem ich Russland verlassen hatte, verlor ich die Lust am Komponieren. Mit dem Verlust der Heimat verlor ich mich selbst.“
Rachmaninoff sehnte sich so sehr nach dem alten Europa zurück, dass er ab 1930 die Sommermonate in einer Villa in der Schweiz verbrachte, wo er endlich zum Komponieren zurückfand. Schließlich verlor er aber auch die neue schweizer Heimat mit Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Kurz vor seinem Tod am 28. März 1943, erhielt er noch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Diese beantragte er, um seiner Familie Probleme mit dem Erbe zu ersparen. Kurz vor seinem 70. Geburtstag starb er an Krebs.
Rachmaninoff schrieb eine Reihe von Präludien, alle für Klavier solo. Seine wichtigsten Werke in diesem Genre sind die 24 Präludien, die alle 24 Dur- und Moll-Tonarten abdecken. Diese wurden jedoch zu verschiedenen Zeiten geschrieben und veröffentlicht, nicht als einheitliche Reihe.
Nach dem Erfolg des berühmten, bereits 1892 komponierten „cis-Moll-Préludes“, das Rachmaninoff – bald sehr zu seinem Leidwesen – immer wieder für das Publikum spielen sollte, wandte er sich erst zehn Jahre später mit den „10 Préludes Opus 23“ wieder dieser Gattung zu, um erneut zu pausieren und nach weiteren sieben Jahren mit seinem „13 Préludes Opus 32“ noch komplexere Stücke vorzulegen. Die 24 Präludien entstanden auf diese Weise über einen vergleichsweise langen Zeitraum von 1892 bis 1910 und verteilen sich auf drei Sammlungen. Er wollte mit ihnen an die berühmte Traditionslinie von Bachs bis Chopins Präludien anknüpfen.
Das „Prélude in g-moll, Op. 23 Nr. 5“, das gleich zu hören sein wird, ist das bekannteste Stück des Opus 23. Es ist dreiteilig und erinnert an einen wilden Marsch, dessen schlichtes Hauptthema nach einigen Wiederholungen von einem innigen, wehmütigen Mittelteil abgelöst wird, der sich dramatisch aufbäumt, bis das trotzige Marschmotiv wiederkehrt.
Gegenüber der vorhergehenden Sammlung sind viele der Stücke der „13 Préludes Opus 32“, von denen das Zehnte, „Prelude in h-moll“, und das Zwölfte, „Prelude in gis-moll“, auf dem Programm stehen, satztechnisch noch komplizierter und musikalisch anspruchsvoller. Während die lyrischen Episoden zunehmend tragisch gefärbt sind, wird die Klangwelt differenzierter und erlesener.
Das letzte Stück dieses Sets ist die „Konzertetüde Op. 39 Nr. 5 in es-Moll“ aus den „9 Études Tableaux Opus 39“ – zu deutsch „Etüden-Gemälde“, die zwischen 1916 und 1917 komponiert wurden. Dem Schaffensprozess des Opus 39 gehen einige persönliche Verluste Rachmaninoffs voraus. Zuerst verliert Rachmaninoff seinen guten Freund Alexander Scriabin, der 1915 an einer Blutvergiftung stirbt. Zwei Monate darauf stirbt sein ehemaliger Professor Sergei Taneyev an einem Herzinfarkt, nachdem er sich eine Lungenentzündung auf Scriabins Beerdigung zugezogen hatte und 1916 stirbt Rachmaninoffs Vater an einem Herzinfarkt. Die Todesfälle und die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges haben starken Einfluss auf Rachmaninoff und nähren seine tiefe Angst vor dem Tod. Dies ist an vielen Stellen des op. 39 zu hören. Die Musik klingt hier düster und sehr ernst, insbesondere in der hier vorgetragenen fünften Etüde, die dieses Set abschließt.
2.3
Zu „La Campanella“, zu deutsch „Das Glöckchen“, eine der Paganini-Etüden von Franz Liszt:
Franz Liszt war ein österreichisch-ungarischer Komponist, Pianist, Dirigent, Theaterleiter, Musiklehrer und Schriftsteller mit deutscher Muttersprache, da Ungarn, sein Geburtsland, damals zu Österreich gehörte. Er lebte von 1811 bis 1886. Sein Gesamtwerk umfasst über 1300 Werke und Bearbeitungen. Damit war er einer der produktivsten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Ein großer Teil seiner Werke ist Klavierliteratur.
Liszt genoss eine sehr gute musikalische Ausbildung. Sein Vater war Verwaltungsbeamter beim Fürsten Esterházy und spielte unter Joseph Haydn im Orchester Cello. So kam der kleine Franz bereits sehr früh mit ausgezeichneter Musik in Berührung. Der Vater erkannte das Talent des Jungen, und schickte ihn zu den besten Lehrern in Wien, Carl Czerny und Antonio Salieri. Im Alter von neun Jahren gab er sein erstes Klavierkonzert. Der junge Franz reiste mit seinem ehrgeizigen Vater durch ganz Europa und wurde als Wunderkind und „wiedergeborener Mozart“ gefeiert. Als sein Vater starb, war Franz erst 15 Jahre alt. Der Verlust des Ehrgeizes, der ständigen Präsenz und der Dominanz seines gestrengen Vaters war für den jungen Pianisten so traumatisch, dass er zwei Jahre lang nicht mehr auftrat. Er lebte damals mit seiner Mutter in Paris, wo er bis 1835 wohnte. Um Geld zu verdienen, unterrichtete er Klavier.
In Paris lernte er viele berühmte Komponisten persönlich kennen: u.a. Frédéric Chopin, Niccolò Paganini, Gioachino Rossini, Hector Berlioz und Felix Mendelssohn. Als Pianist war er sehr erfolgreich, nur seine Kompositionen wollte zunächst niemand hören. Erst ab 1840 wurde er in Paris nicht nur als Klaviervirtuose, sondern auch für seine Klavierkompositionen gefeiert und wurde einer der bedeutendsten Komponisten Europas. Er lebte zwei Jahre in Italien, reiste über den Kontinent und ließ sich schließlich als Dirigent in Weimar nieder. Dort schrieb er seine wichtigsten Kompositionen und kümmerte sich intensiv um die Aufführung zeitgenössischer Musik, u.a. von Robert Schumann und Richard Wagner, mit dem er befreundet war.
Im August 1861 verließ Liszt Weimar. Er widmete er sich verstärkt Kompositionen mit religiösen Themen und kirchenmusikalischen Werken. In Rom, wo er sich bis 1870 überwiegend aufhielt, führte er ein teils mondänes, teils mönchisches Leben und zog sich im Sommer 1863 in ein Kloster zurück. Seine langjährige religiöse Neigung kulminierte 1865 in seiner Weihung zum Abbé. Er schrieb dazu in einem Brief: „Mein Hang zum Katholizismus rührt von meiner Kindheit her und ist ein bleibendes und mich beherrschendes Gefühl geworden.“
Er verstarb in Bayreuth am 31. Juli 1886 an den Folgen einer Lungenentzündung.
Als Pianist, Komponist und Persönlichkeit überspannte Franz Liszts Einfluss das gesamte neunzehnte Jahrhundert und reichte bis ins zwanzigste. Obwohl Liszt zusammen mit der ersten Generation romantischer Komponisten wie Berlioz, Chopin, Schumann und Mendelssohn geboren wurde, überlebte er sie alle und wurde ein Verfechter der „Musik der Zukunft“.
Die „6 Grandes Études de Paganini“ oder auch „Paganini-Etüden“, zu denen das folgende Stück „La Campanella“ gehört, sind benannt nach dem Geigenvirtuosen Niccolò Paganini, der von 1782 bis 1840 lebte und der berühmteste Geigenvirtuose seiner Zeit war. Es war Paganinis Geigenspiel, das Liszt zu den größten Höhen an Virtuosität und effektvoller Darbietung inspirierte. Liszt äußerte, dass er für das Klavier das machen wollte, was Paganini für die Geige gemacht hatte, und Liszt ging so weit, dass er eine Reihe der Soloviolincapricen zu hoch effektiver und virtuoser Klaviermusik umschrieb. Dies wurden die Paganini Etüden. Die Melodie von „La campanella“ stammt aus dem letzten Satz von Paganinis Violinkonzert Nr. 2, in dem die Melodie durch das Läuten einer Handglocke unterstützt wurde. Dieses „Glöckchen“ gilt weithin als eines der technisch anspruchsvollsten Klavierstücke, die je geschrieben wurden.